Im Januar hat sich das Impacc-Team in Kilifi, einer der ärmsten und zugleich schönsten Regionen Kenias, zum jährlichen Strategie- und Planungstreffen zusammengefunden. Der Ort war auch deshalb gewählt, weil dort Coco Vitasitzt, der jüngste Zugang zu unserer neuen Kohorte. Coco Vita ist das perfekte Beispiel für die Art von Unternehmen, die wir fördern wollen, mit einer spannenden Gründungsgeschichte, einem klasse Produkt und viel Potenzial, massenhaft Jobs in Gegenden extremer Armut zu schaffen. Vor gut 10 Jahren war Joan Atambo noch eine gutbezahlte Finanzmanagerin in Mombasa; dann erkrankte ihre Mutter an einer Autoimmunkrankheit. Ein bewährtes Mittel dagegen ist kaltgepresstes Kokosöl – es ist bekannt für seine antibakterielle und antimykotische Wirkung und enthält mehr laurische Säure als Muttermilch (ich habe zwar Chemie in der zehnten Klasse abgewählt, aber mir wurde versichert, dass das eine gute Sache ist). In Kenia wachsen pro Jahr um die 300 Millionen Kokosnüsse – aber Joan musste das Öl für ihre Mutter aus Australien importieren, weil sie in Kenia keins fand. Nachdem ihre Mutter wieder gesund geworden war, hat Joan aus ihrer Erfahrung ein Geschäft gemacht. Zehn Jahre später gibt es mit Coco Vita heute den einzigen Hersteller von reinem, kaltgepressten Kokosöl in der Region. Zeitweilig über dreißig Frauen reiben, pressen und filtern einen Monat lang, bis das Öl fertig ist – all das in einem manuellen Prozess in einer Gegend ohne fließend Wasser, ohne Strom und ohne Straßen. Joans Vision, ihre Produktion zu verzehnfachen und damit über 5,000 Kleinbauern Einkommensmöglichkeiten zu verschaffen, hat uns überzeugt. Mit einer Investition von ca. 100,000 Euro kann sie die Firma ans Stromnetz anschließen, behutsam mechanisieren, um die Arbeitsprozesse zum Beispiel beim Reiben zu vereinfachen und das schnell verderbliche Kokoswasser kühlen und weiterverarbeiten statt es wie bisher zu entsorgen.
Geschichten wie die von Coco Vita könnte ich über alle unsere neuen Ventures erzählen, aber dann wird der Newsletter zu lang. Deshalb hier im Kurzdurchgang ein kleiner Überblick, wen wir sonst noch in die neue Kohorte aufgenommen haben. Der regionale Fokus lag in diesem Jahr auf Kenia, wo wir unser größtes Büro haben und nah dran sein können an den Unternehmen und ihren Märkten.
Full Spoon vertreibt Erdnussbutter in Slums und beugt damit Mangelernährung vor. Das Produkt ist gut, aber eben normale Erdnussbutter. Die – kleine aber entscheidende – Innovation: statt wie bisher in Gläsern zu verkaufen, die sich die meisten Slum-Bewohner nicht leisten können, setzt Full Spoon auf Einzel-Sachets, die für einen halben Laib Brot reichen. Das ist ökologisch nicht perfekt, aber es schafft neue Märkte für gesunde Ernährung: Erdnüsse enthalten ca. 50% Protein und sind so eine wesentlich nahrhaftere Alternative als das typische Frühstück – ein frittierter Krapfen und eine Tasse Schwarztee. Und das Produkt kommt an: als wir im Dezember im Kibera-Slum von Nairobi eigentlich nur Marktforschungs-Interviews führen wollten, haben uns gleich 7 von 10 Kiosk-Besitzern Sachets abgekauft, weil sie das Marktpotential sofort erkannt haben. Mit unserer Investition will Full Spoon eine neue Vertriebsstruktur in der sogenannten Kadogo-Economy (nach „kidogo“ – „klein“) aufbauen, die Kleinstgebinde profitabel verkaufen kann.
ACT (Africa Collect Textiles) macht Textil-Recycling und Upcycling in Kenia und Nigeria. In fast jeder afrikanischen Stadt gibt es Heerscharen von uniformierten „Guards“. Ich hatte mich nie gefragt, was eigentlich mit den alten Uniformen geschieht. Nun, sie werden weggeworfen, damit sich niemand fälschlicherweise als „Guard“ ausgeben kann. ACT gibt diesen Uniformen zum Beispiel als Schuluniformen ein zweites Leben; was nicht wiederverwendet werden kann, wird zum Beispiel zu Teppichen aus Jeans-Stoff gewebt.
M-Shamba verschafft Kleinbauern faire Marktzugänge und hilft, Hungersnöte zu vermeiden. In vielen Teilen Afrikas gibt es sogenannte Mikro-Hungersnöte: reiche Ernten in einem Landstrich, Dürre und Ernteausfälle im angrenzenden – und kein funktionierender Markt, um das auszugleichen. M-Shamba schafft mit einer einfachen technischen Lösung Transparenz und vermittelt Kleinbauern Marktzugänge. Die Uni-Ausgründung von Calvince Okello war ursprünglich als App gestartet – so wie alles heute irgendwie eine App sein muss, um attraktiv zu wirken. Das Problem: die wenigsten Kleinbauern haben Smartphones. Also hat M-Shamba eine einfachere, SMS-basierte Lösung auf den Markt gebracht. Das Problem hier: viele Mobilfunkverträge haben ein Limit von 20 SMS pro Woche, und 15 davon kamen bereits vom Mobilfunk-Anbieter selbst. Also ist M-Shamba noch eine Stufe tiefer gegangen und hat heute eine Art automatisiertes Call-Center, das sprachbasierte Informationen und auch Trainings anbietet. Für uns ein tolles Beispiel für Unternehmergeist, der so lange experimentiert, bis das Produkt wirklich auf die Bedürfnisse des Marktes passt und bereits von zehntausenden Kunden genutzt wird. Mit unserer Investition will M-Shamba in weitere afrikanische Länder expandieren.
Auch Marbi Agric schafft faire Marktzugänge für Kleinbauern, aber hier mit einer smarten Lösung, die Saatgut vorfinanziert (ein gängiges Modell), aber mit Versicherungspolicen verbindet, die das Risiko minimieren, wenn es zu Ausfällen kommt. Gründerin Bernadette Mwanza kommt aus der Versicherungsbranche und setzt ihre Erfahrung jetzt für arme Kleinbauern ein.
Alle diese Unternehmen haben etwas gemeinsam: tolle Unternehmerinnen (ok, zwei Männer sind auch dabei, aber sie sind eindeutig in der Unterzahl), clevere, grüne Geschäftsideen in Gegenden extremer Armut, erste unternehmerische Erfolge – und: kein Geld. Für Hilfsprojekte sind sie zu unternehmerisch, für klassische Investoren nicht profitabel genug, denn sie geben all ihr Geld ja für menschenwürdige Löhne aus. Und damit kommen wir ins Spiel. Und machen uns auf, in diesem Jahr eine Million Euro an Investitions-Spenden aufzutreiben, damit aus all diesen guten Ideen auch wirklich nachhaltige Jobs werden.